So wie es seit 464 Jah­ren der Brauch ist

von Dominik Wierl am 8. September 2019

Ein paar Leu­te hat­ten ihren Regen­schirm mit dabei – aber sie brauch­ten ihn nicht. Es war warm und schön, denn wenn die Leu­te beim Aschau­er Markt unter den Schir­men durch die engen Markt­gas­sen gehen müs­sen, dann hört der Spaß auf. Die Stra­ßen waren immer gut gefüllt – auch das gehört zu den Wun­dern des Mark­tes, kur­ze Hosen und kur­ze Röcke präg­ten das Stra­ßen­bild. Warm war der Markt­sonn­tag im Prien­tal, in dem wun­der­sa­men Land aus Zelt­lei­nen und Sperr­holz, aus Wohn­an­hän­gern und Sitz­gar­ni­tu­ren – da zog es die Besu­cher gera­de­zu magisch zu einer fri­schen Maß Markt­bier ins Festzelt. 

Jedes Jahr für einen ein­zi­gen Tag am ers­ten Sep­tem­ber­sonn­tag gibt es zwi­schen der Aschau­er Haupt­stra­ße, dem Kir­chen­ber­gerl und dem Schüt­zen­haus alles, was ein Kin­der­herz begehrt. Nur noch auf dem Markt gibt es die fei­nen sil­ber­nen Rin­ge, die ent­spre­chen­den Ket­terl und Arm­bän­der für die klei­nen Mäd­chen, nur auf dem Markt gibt es für die Buben die­ses umfas­sen­de Ange­bot an allen aktu­el­len Bull­dogs und land­wirt­schaft­li­chen Maschi­nen als voll funk­ti­ons­fä­hi­ge Model­le. Dazu kann man auch noch Karus­sell fah­ren, Schiff­schau­kel hut­schen, sowie gebrann­te Man­deln, Zucker­wat­te, Magen­brot und tür­ki­schen Honig genie­ßen. Nur noch auf dem Markt gibt es die Spe­zia­li­tä­ten des Metz­gers, das Gselch­te und die Würscht, das gute Bau­ern­brot aus Nie­der­bay­ern, den Berg­kas von der Alm oder die über­reich beleg­te Fischsemmel. 

Die Erwach­se­nen tref­fen auf den Buden­stra­ßen Bekann­te und Ver­wand­te, die sie schon seit dem letz­ten Markt nicht mehr gese­hen haben, zu einem aus­gie­bi­gen Ratsch. Auf dem Aschau­er Markt muss man auch nie­mand suchen, alles ist über­schau­bar, hier fin­den sich alle Jah­re alle Bekann­ten an der­sel­ben Stel­le wie­der ein. So kom­men die Besu­cher nur lang­sam von Haus­eck zu Haus­eck voran. 

Sie kön­nen aller­lei wun­der­sa­me Din­ge ein­kau­fen, die es auch für sie nur noch auf dem Markt gibt. Sie bekom­men Wun­der­mit­tel für die Auto­pfle­ge, zum Fens­ter­put­zen und Gemü­se­ho­beln, sie kau­fen von einem Last­wa­gen her­un­ter Wein­trau­ben, Ana­nas und Bana­nen kilo­wei­se oder hand­fes­te, stra­pa­zier­fä­hi­ge Beklei­dung für den all­täg­li­chen Gebrauch. Und zum Schluss tref­fen sich- fast auto­ma­tisch — alle im Bier­zelt bei einer „gschei­den Brot­zeit“ wieder. 

Seit 464 Jah­ren gibt es den Aschau­er Markt, seit sei­nem Bestehen hat er nichts an Aktua­li­tät ein­ge­büßt. Frü­her kauf­ten die Prien­ta­ler, die Aschau­er, Sach­ran­ger, Fras­dor­fer, Umraths­hau­ser und Wil­den­war­ter alles, was sie für den bevor­ste­hen­den Win­ter brauch­ten, heu­te ver­sucht die Mehr­zahl der 150 Standl­leu­te Sachen an die Frau und an den Mann zu brin­gen, die die Mensch­heit nicht unbe­dingt zum Leben braucht. 

Ein Bum­mel mit der gan­zen Fami­lie – nach dem sonn­täg­li­chen Kirch­gang — durch die fast einen Kilo­me­ter lan­ge von Ver­kaufs­stän­den gesäum­ten Markt­stra­ße mit ihrem schier uner­schöpf­li­chen Waren­an­ge­bot, die unge­zähl­ten Brot­zeit- und Spiel­zeug­standl und das gro­ße Bier­zelt, ist bei vie­len Leu­ten in der Umge­bung fest ein­ge­plant. Der Aschau­er Markt stellt eine wich­ti­ge Zeit­mar­ke in der Regi­on dar: mit dem Aschau­er Markt endet der Som­mer und mit ihm die Bade­sai­son, es beginnt unwi­der­ruf­lich der Herbst und die Wanderzeit. 

Wenn um 17 Uhr die Markt­stän­de schlie­ßen, die Buden abge­baut wer­den und die Standl­leu­te zum nächs­ten Markt wei­ter­zie­hen, bleibt den Aschau­ern, den Sach­ran­gern und Fras­dor­fern und allen ande­ren die Gewiss­heit, dass sie alle im kom­men­den Jahr am ers­ten Sep­tem­ber­sonn­tag wie­der da sein wer­den, so wie es seit 464 Jah­ren in Aschau der Brauch ist.