Das Gauabzeichen
Vinzenz Bachmann aus Schleching schuf 1926 das Gauabzeichen für den neugegründeten Chiemgau-Alpenverband. Bachmann wurde 1898 in Mettenham geboren, er war Zimmerermeister und Architekt, 1998 verstarb er mit 100 Jahren. Er war mit 28 Jahren Mitbegründer des Chiemgau-Alpenverbandes und entwarf das noch heute unveränderte Gauabzeichen, das in seiner zeitlosen Schönheit nach der ersten Vorstellung schnell anerkannt war. Es bestand nur noch das Finanzierungsproblem für die ersten Exemplare. „Als Aussicht auf Gelingen bestand, hat der Schorsch Aigner 200 Gauzeichen auf sein eigenes Risiko bestellt, sie waren aber ganz schnell alle verkauft“.
Ein Dreivierteljahrhundert lang durfte Bachmann miterleben, dass sein Abzeichen, seine Ideen und seine Deutung der Chiemgauer Lebensart nichts von ihrem Symbolcharakter verloren haben.
Vier Bestandteile umfasst das Gauabzeichen, sie alle verkörpern den Chiemgau und bilden in ihrer unteilbaren Gemeinsamkeit eine untrennbare Einheit. 1976, also 50 Jahre nach der Einführung, schrieb der Schöpfer des Zeichens seine Gedanken und Beweggründe noch einmal für die Nachwelt nieder:
„Das Gauabzeichen — unsere engere Chiemgauer Heimat symbolisiert mit dem Geigelstein, dem höchsten Berg der Priener Alpen. Er reicht über die Baumgrenze hinaus in den bairischen blauen Himmel. Die Vorberge zeigen den Fuß der Alpen, der Wald den Lebensraum. Die fliegenden Adler – das deutsche Wappentier – achten mit scharfen Augen auf die Erhaltung von Tracht und Sitte“.
Viele Entwürfe gingen der endgültigen Fassung voraus: der Blick auf die Berge, ins Tal mit Fluren und Wäldern, die Burg und die Bogenbrücke in Marquartstein, dem Sitz des Verbandes.
Entwurfskizzen, Aufzeichnungen und Briefe aus dem von der Tochter Irmgard Bachmann liebevoll betreuten Archiv lassen die gründerzeitliche Aufbruchstimmung erahnen und nachempfinden, was die Schöpfer des Chiemgau-Alpenverbandes in diesen Jahren bewegt hat.
Als die Schlechinger „Gamsgebirgler“ 1920 ihren Verein gründeten, war zunächst der Gamskopf im Abzeichen, dann der Geigelstein. Dieses Motiv übernahm Bachmann für das Gauabzeichen.
Der Geigelstein, das „Gamsgebirg“, mit 1808 Metern der höchste Berg im westlichen Chiemgau, im Osten nur noch überragt vom Sonntagshorn, ist mit seinem Nordostabsturz einer der markantesten Gipfel der nördlichen Kalkalpen.
Die Adler fliegen vom nahen Kaisergebirge herüber und umkreisen den Geigelstein. Der „Geigelsteinadler“ ist seit alters her ein Mythos im Tal; noch in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beim alljährlichen Skiabfahrtslauf vom Geigelstein herunter galt es, das „Adler-Abzeichen“ in Gold, Silber und Bronze zu gewinnen.
Für uns heute – 80 Jahre nach der Gründung des Chiemgau-Alpenverbandes – verbindet sich mit dem Gebrauch und der Wertung des Gauabzeichens auch ein ständiger Auftrag: alle bestehenden Bewertungen müssen sich immer wieder einer Prüfung unterziehen lassen und – soweit notwendig und möglich — dem Zeitenlauf anpassen.
So ist es wichtig, das vorliegende Bild im Sinne von Vinzenz Bachmann als sein Vermächtnis zu bewahren:
„Mit der Schärfe des Adlerauges das rechte Maß in der Erhaltung von Tracht, Brauchtum und Sitte zu suchen und zu finden.“