Sonstige Bräuche
Marterl
Wer durch das Voralpenland wandert und weniger vom Verkehr erschlossene Winkel aufsucht, oder wer unwegsamere Pfade in den Bergen bevorzugt, wird auch heute noch da und dort, am Wegrand, in der Schlucht eines Wildbaches oder unterhalb einer steilen Felswand zunächst unscheinbare bemalte und oft halbverwitterte Brettchen vorfinden. Wer Sinn dafür hat, wird gerne seine Wanderung kurz unterbrechen, um eine derartige Tafel näher zu betrachten. Mit ziemlich unbeholfener Hand ist ein Unglücksfall dargestellt, der sich hier oder in allernächster Nähe schicksalhaft zugetragen hat. Der oft holprige Text darunter, häufig sogar in Versform, erläutert noch zusätzlich das Dargestellte.
Solche Zeugnisse der Volksfrömmigkeit, wie sie in dieser Form vor allem im alpenländischen Raum anzutreffen sind, nennt man hier schlichtweg Marterl und verbindet damit gleichzeitig die Vorstellung an etwas Liebenswertes, etwas ganz Persönliches.
Ein Marterl ist ein Kleindenkmal, zur Erinnerung an einen Toten, der durch Unglück oder Gewalt sich sein Leben einst einbüßte. Es steht am Ort des Unglücks und will durch Wort und Bild die Erinnerung wach halten und zum Fürbittengebet für den Verstorbenen mahnen. Der Ursprung des Namens „Marter“ liegt wohl im griechischen „martyrion“ , was soviel wie Bekenntnis und Bezeugung heißt, weshalb in der christlichen Frühzeit diese Bezeichnung auch auf jenen Christen übertragen wurde, die für ihren Glauben Blutzeugnis abgelegt, also ein „Martyrium“ erlitten hatten. Später im ausgehenden Mittelalter, wurde das Leiden Christi auch als „Marter Christi“ oder als „Gottes Marter“ bezeichnet, wobei die Bedeutung Marter = Pein im Vordergrund steht.
Durch die bildliche Veranschauung des Leidens Christi, der Kreuztragung und der Kreuzigung, sollte der Vorübergehende dazu aufgerufen sein, nicht nur des Todes Christi, sondern selbst zu gedenken. Wenngleich die Bezeichnung Marterl selbst in einschlägigen Veröffentlichungen für Gedächnistafeln verschiedenster Art verwendet wird , so gelten als Marterl im scharfen Sinn nur jenen, die für einen tödlich Verunglückten zur Erinnerung und zwar am Ort des Geschehens, errichtet oder angebracht wurde. Die Verbreitung beschränkt sich hauptsächlich auf den Alpenraum, aber auch auf italienischem und slowenischem Boden sind solche anzutreffen.
Denkt‘s no dro
An den Jüngling Sepp Weißenbacher Erschlbauersohn von da
Verunglückte am Kirchweihsunnda schon mit 18 Jahr,
drum richts eng fürs jenseits, des is nia z‘fruha !
Er fiel durch das Heuloch und starb bei de Küha,
bet‘s eam an Vater unser, er kann nigs mehr dafür,
des is eam jetzt liaba als wia a Maß Bier.
Passiert am 22. Sept. 1866
Eine andere Übersetzung für „Marterl“ bezieht sich auf die Hl. Martha. (29. Juli), die Schwester des Lazarus ist auch Sterbepatronin, sie wird oft auf Marterl dargestellt, daher die andere Ableitung von Marterl .
Marterl bilden einen nicht mehr wegzudenkenden sichtbaren Bestandteil bäuerlichen Volksfrömmigkeit im Alpenraum und sind wichtige Kulturschätze. Für die Volkskunde sind diese Marterl, wie auch die Votivtafeln, eine nicht zu unterschätzende Bildquelle.
Die im Detail oft äußerlich exakt gezeichneten Begebenheiten stellen uns Bauernformen, Trachten und Gerätschaften aller Art vor und vermitteln somit ein Bild der bäuerlichen Kulturlandschaft. Zu spät wurde leider der Aussagewert der bildlichen Darstellungen erkannt und selbst unsere volkskundlichen Museen besitzen nur wenige Beispiele dieser ehemals zahllosen Gedenktafeln.
’s Marterl
Ned weit vo meim Häusl
a stückl bergauf,
da steht an oids Marterl.
A Inschrift is drauf.
Mo konns nimmer lesn,
de Schrift ist verwittert.
Verloren, vergessen,
denkt mancher verbittert.
Und doch konn i richtig
was ablesen draus:
Da Mensch nimmt se wichtig,
doch d’Zeit löscht oiß aus.
Verfasser: unbekannt
Nicht zuletzt sind diese Texte auch mitunter wertvolle sprachliche Zeugnisse, sie vermitteln mundartliche Färbungen von Ort – und Eigennamen, von Berufsbezeichnungen und Gegenständen. Aber nicht nur das persönlichen Schicksal spricht häufig aus diesen Inschriften, sondern geschichtliche Begebenheiten, wie kriegerische Ereignisse und Naturkatastrophen spiegeln sich darin, vermitteln oftmals den einzigen Beleg dafür.
Christliches Andenken an den Ehrsamen Bartlme Angerer, Bauersmann von hier und der Marie Pfund von Volders, welche beide am 5. November 1809 durch die damahlige Rache der königliche Baierischen Soldaten ihr Leben auf vorgestellte Art einbüßten. Von nachfolgenden Ankel Josef Angerer.
In ewigen Gedenken an den ehreng. Fritz Kalser
Holzvorarbeiter von Entfelden welcher am 3. Juni 1914 in der
Nähe v. hier in folge einer Baumwurzel tödlich verunglückte. R.T.P.
Denk an dein End, ob jung ob alt dein letzter Gang er kommt so bald
Er kommt dann wenn’s niemand denkt ! Drum leb stets mit Gott vereint
u. bet für dich und bet für mich dann sehn wir uns einst ewiglich.
Erinnerts enk no
An Wastl Donauer Lippensohn von hia
brach sich mit 37 Jahr, Gnack, Rippen und Knia,
zum Bremsen keant de Tatzen,
in der Hütten waren‘s vergessen,
sonst hätt‘s net dasteßen.
Am Bam dro lag die Prügelfuha,
bet‘s eam ein Ave Maria dazua !Paßiert am 22.2.1864
Weitere Marterlsprüche
Hier starb ein junger Mann, mit Namen Johann, er trug die kurze Hose gern, blieb auch von keinem Feste fern; Und war wo eine Fahnenweih ‘, da kam er mit sein ‘Dirndl glei‘. Nun ist er beim hl. Petrus drobn, hoffentlich gut aufgehob‘n. Schad‘is‘s um Di , mei Bua, Gott gib Dir die ewige Ruah‘! (Waakirchen, von Franz Gschwandtner für einen Trachtenkameraden) | Unter dieser Eiche lag efrorn durch Kält und Wind, Vor Jahren um die Weihnachtszeit Ein armes Waisenkind. Der du im warmen Kittel gehst, Hilf anderen in der Not, Dann frieret sich kein Waisenkind Im dünnen Röcklein tot. (Bayer. Wald, bei Spiegelau) |
Der Schustersepp von Lauterbach Ist hier ersoffen in der Ach. Er trank zu viel vom Branntwein. Drum fiel er in die Ach hinein, Gott schenke ihm die ew‘ge Ruh Und noch ein Viertel Schnaps dazu. (In der Lauterbach an der Ach) | Verunglückt ist auf solche Art, Der Holzer Sepp hier ohne Bart, A Stoaschlag bracht ihn um sein Leben, Jetzt tuts koan Holzer Sepp mehr geben. (Bad Tölz) |
Tobias Bogner, Goasser, Abg‘stürzt am Wilden Koaser. Himmel , Herrgott, Sakrament, War dös a grauslichs End ! (Am Wilden Kaiser) | Hier liegen begraben Vom Donner erschlagen Drei Schaf, a Kalb und a Bua, Herr ! gib ihnen die ewige Ruah. (Pitztal) |
Wetterregeln im August :
Wenn‘s im August ohne Regen abgeht,
das Pferd mager vor der Krippe steht.
Wer schläft im August,
der schläft zu seinem eigenen Verlust.
Im August viel Regenschauer
Ist Verdruß für jeden Bauer.
Je dichter der Regen im August,
je dünner wird der Most.
Nasser August macht teure Kost.
Wenn‘s im August nicht regnet,
ist der Winter mit Schnee gesegnet.
August freundlich und heiß,
so bleibt der Winter weiß.
August soll sein ein Augentrost,
macht zeitig Korn und Most.
Wie das Wetter am Himmelfahrtstag,
so der ganze Herbst sein mag.
Text : Miche Huber
Quelle : „Marterlsprüche“ / Hans Roth – Süddeutscher Verlag
Auf der Alm
Den Süden des Chiemgaus prägen die Berge der Alpenkette. Die Schönheit unserer Landschaft wird aber nicht durch ein Einerlei aus nackten Felsen bestimmt , sondern sie erhält ihren Reiz gerade aus der Abwechslung, die sich aus dem Nebeneinander von ragenden Berggipfeln, schattigen Wäldern und grünen Almflächen ergibt.
Überall im Almgebiet begegnet uns das wichtigste Haustier des Menschen, das Rind. Seit der Besiedlung des Berglandes gehört das Rind zu der Landschaft, ja es half von Anfang an wohl mit, dass der Mensch überhaupt in dieser Landschaft sich ansiedeln und sesshaft machen konnte. So ist es selbstverständlich, dass nicht erst die einwandernden Bajuwaren das Rind mitbrachten, sondern dass schon die Römer und vor ihnen die Kelten das auf den Bergen wachsende Weidefutter für ihre Tiere nutzbar machten.
Flurbezeichnungen wie Tauron (keltoromanisches Wort für Rinderweide) weisen darauf hin, dass Almflächen der Rossalm seit ca. 2000 Jahren Rinderweide sind. Mit 1731m ist die Rossalm im Geigelsteingebiet die höchstgelegene bewirtschaftete bayerische Alm.
Seit wann unsere Vorfahren unsere Almen bewirtschafteten lässt sich nicht genau belegen. Es gilt aber als sicher, dass nicht nur der Bauer in den Talniederungen sich die Sommerweiden nutzbar machte, sondern dass vielerorts die Dauersiedlungen sich höher hinauf als heute schoben, wenn sie nicht gar zuerst oben angelegt wurden und erst später in die ursprüngliche oft versumpften Täler herunterwanderten. Er war daher froh, wenn er auf seinen Feldern nur das Winterfutter für seine Tiere gewinnen musste und wenn die Kühe und Jungtiere sich das Sommerfutter selber in den Wäldern und auf den Bergen holte.
Das Almleben, das im Frühsommer (Mai oder Juni) jedes Jahr beginnt, war zu keiner Zeit so romantisch und verlockend, wie es in Lieder besungen wurde. Es ist eine harte Arbeit, die die Sennerin ganz alleine auf der Alm zu leisten hat. Hinzu kommt die große Verantwortung, die sie für das Vieh während der Sommermonate zu tragen hat. Diesen Almbetrieb, zu dem ja zum Beaufsichtigen des Viehes, zum Melken der Kühe und zur Aufzucht der kleinen Kälber eine Arbeitskraft erforderlich war, konnte sich nicht jeder Bauer leisten. Die kleineren Bauern übten dagegen die Bergweide nach wie vor vom eigenen Hof aus, also ohne Aufsichtspersonal.
In Bezug auf ihre Lage teilen sich die Almen in Hoch – und Niederalmen, oder wie sie im Volksmund heißen, „Hoch — o. Niederläger, Vor- und Nachalmen“. Die Nachalmen oder Hochläger sind die wertvolleren. „Schneefluchten“ d.h. tiefer gelegene, meist durch einen Wald geschützte Weideplätze, wohin das Vieh getrieben wird, wenn auf den Hochalmen plötzlich Schnee fällt, sind seltener.
Almbräuche
Im Chiemgau und im Berchtesgadener Land bleibt der Auftrieb auf die Alm, in Oberbayern auch „Kaser“ genannt, ohne Fest und ist von der Außenwelt meist unbemerkt. Die dabei gewahrte Ruhe Erklärt sich großenteils aus der nicht immer von Bangen freier Erwartungen, was der Almsommer alles bringen wird. Vor allem wird darum gebetet, dass keine Krankheiten, Unfälle oder große Wetterschwierigkeiten dem Vieh Schaden antun möchten.
Die Nacht, welche dem Befahren der Alm vorgeht, heißt die „Grainnacht“ (vom Grainen) und die am vorhergehenden Tage gewonnene Milch die „Grainmilch“ wird an die Armen verschenkt. Die Benennung dieser Nacht mag wohl daher kommen, weil am Abend vor Auffahrt Sennerin und Hirt von ihren Bauern besonders streng auf ihre Obliegenheiten verwiesen werden, weil der Bauer mit ihnen „graint“.
Am St. Jakobstag ist der sogenannte „Alm Kirschta“ (Almkirchweih) Mitte des Almsommers.
Überliefert ist auch dass demjenigen Hirten der am Bartholomäustag (24. August) das Vieh am spätesten auf die Weide treibt, am Abend dieses Tages ein Schweinszagl (Schweif) auf den Kaser gesteckt. Es versammelt sich zu diesen Zweck Abends die Hüter und ziehen mit Kuhschellen, Peitschenknallen, Hornblasen und wunderlich bekränzt, einmal um jeden Kaser, dreimal um den des Alpherrn , und stecken dann unter dem Geschrei :“das ist der Schweinszangl“ denselben auf den Kaser des fälligen Hirten auf.
Nicht selten findet man auf weitsichtbaren Punkten in der Nähe von Almen, hohe Wetterkreuze, doch gewöhnlich tiefer als die Hütten stehend ; daher der heitere Glaube : „Über‘m Wetterkreuz gibt‘s koa Sünd“.
Wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, heißt es für die Almleute, die Sennerin und den Senn, Abschied zu nehmen von der Alm. Der Termin, wann das Vieh ins Tal getrieben wird, ist regional unterschiedlich. Gewöhnlich fällt der Aufbruch von den Almweiden in den September, vorausgesetzt, das Wetter macht nicht einen früheren Abtrieb erforderlich. Um Michaeli (29. September) ist die Almzeit zu Ende.
Wenn der Almsommer glücklich verlaufen ist, wenn keinem Tier etwas zugestoßen ist und in der Familie des Bauern kein Unglück war, so ist der Almabtrieb ein Tag der Freude und des Dankes. Nach alten Brauch wird das Vieh „aufgekranzt“, das heißt die Köpfe der Tiere werden geschmückt. Die Sennerin ist schon lange vorher mit dem Herstellen von Schmuck für ihre Tiere beschäftigt .Besonders für die Leitkuh wird ein ganz besonders schöner „Almbuschen“ zusammengerichtet. Kronen, Kränze, Kreuze und alle möglichen Formen von Zierat, behangen mit bunten Bändern, sind dann als Kopfputz der Leittiere zu sehen.
Zum Schmuck der Tiere gehören auch die Glocken, die an einem breiten Lederriemen am Halse hängen.
Gewöhnlich tragen nur die schönsten und größten Kühe Glocken. Mit dem Geläut der Glocken sollte nach altem Volksglauben feindliche Dämonen abgewehrt werden, die die Tiere auf ihrem Weg ins Tal bedrohen.
Am Tag des Almabtriebs begibt sich die Familie des Bauern auf die Alm und hilft der Sennerin, das Vieh mit dem vorbereitem Kranzzeug zu schmücken, ein Vorgang, den die Tiere nur recht ungern über sich ergehen lassen. Ist alles für den Abtrieb vorbereitet und die Almhütte winterfest gemacht, wird mit einem Gebet gedankt und anschließend bricht die Sennerin ins Tal. Vorne geht die Leitkuh mit einem besonders schönen Kopfputz ‚gefolgt von den übrigen Tieren. Ganz am Schluss kommt die Almerin, die aus Anlass des Festtages sich „fesch“ kleidet. Im Dorf unten angekommen, wird sie vom Bauern erwartet und führt das Vieh nicht ohne Stolz in den heimatlichen Stall.
Die Almwirtschaft ist und bleibt auch wie eh und je der Gesundbrunnen der Viehzucht.
In den letzten Jahren ist, entgegen dem allgemeinen Trend, ein überraschendes Interesse festzustellen, als Sennerin und Senn einen Sommer auf einer Alm zu verbringen. Mancherorts gibt es schon „Wartelisten“ von Almaspiranten.
Gäbe es keine Almwirtschaft würde sich das Bild unserer Heimat beträchtlich verändern. Almbauern sind wichtige Landschaftspfleger. Auch viele Bergfreunde und Urlaubsgäste würden es bedauern, wenn nach einer schönen Bergwanderung keine Alm zur Einkehr einladen würde.
Wetterregeln
Ist der September warm und klar,
so hoffen wir auf ein fruchtbar Jahr.
Septemberfleiß
zu ernten weiß.
Wenn im September viel Spinnen kriechen,
sie einen harten Winter riechen.
Septemberdonner prophezeit
vielen Schnee zur Weihnachtszeit.
Vor Michael sä mit halber Hand
dann aber streu mit ganzer Hand.
Fallen die Eicheln vor Michaeli ab,
so steigt der Sommer früh ins Grab.
Regen am Michaelstag
einen milden Winter bringen mag.
Text : Miche Huber
Quellen : Heimatbuch des Landkreises Traunstein
Joseph Friedrich Lentner / Bavaria – Süddeutscher Verlag
Albert Bichler / Wie‘s in Bayern ist LUDWIG — Verlag
Hausnamen
Hausnamen gibt es in vielen Gegenden Bayerns. Wiewohl sie über Jahrhunderte Teil der Volkskultur waren, kommen sie seit ein paar Jahrzehnten immer mehr außer Gebrauch. Sie geraten dadurch zunehmend in Vergessenheit und sterben schließlich ganz aus. Dieser Prozess ist schon weit fortgeschritten und wird sich in den nächsten Jahren wohl noch beschleunigen, denn viele der Häuser mit Hausnamen verfallen oder werden abgerissen.
Hausnamen sind ein Überbleibsel aus einer Zeit als der Bauernhof, das Anwesen der Beruf wichtiger waren als die Menschen. Ebenso hatten Hausnamen früher tatsächlich den Sinn in erster Linie das Anwesen und erst dann den Besitzer zu nennen. Der Besitzer war nicht so wichtig und lebte auch meist nicht so lange. Im Vordergrund steht immer der Hof oder der Besitz egal wie der Eigentümer heißt. Beim Hausnamen wird der Vorname übrigens immer hinten angestellt.
Heute kommt es noch in ländlichen Gegenden vor, dass die Leute oft nicht einmal den Schreibnamen des Nachbarn wissen.
Leopold Kammerer beschreibt in einem Gedicht über den Sinn von Hausnamen :
Der Hausname
Bei uns in Bayern, auf‘n Land
is des a oida Tatbestand
dass, anders ois wia in da Stadt
jed‘s Anwesen sein Hausnam hot.
A Nam für‘s Haus, des hot an Sinn
do steckt a Menge G‘scheites drin !
A Haus mit fester, dicker Mauer
werd älter meist, ois da Erbauer
und muaß sei‘Herr dann einstens sterben
und stirbt a vielleicht ohne Erben
oder da Hof wird gar verkauft
oder oam geb‘n, der anders ‘tauft
oder wenn d‘Tochter heirat, woaßt
dass de hernach anders hoaßt
dass völlig Wurscht, wia‘s jeweils kimmt
und wia der hoaßt, der übernimmt
und mog a arm sei oder reich
der Nam vom Haus, der bleibt se gleich.
Egal wia se der Hausherr schreibt
und ob a weggeht oder bleibt
des macht mitunter ned vui aus
oans bleibt bestimmt – der Nam vom Haus.
Es is a Nama von am Ort
und der bleibt do, der laaft net fort.
Drum is da Hausnam – glaabt‘s ‚ma‘s Leit –
A Zeichen von Beständigkeit.
Viele Hausnamen lassen sich aus dem bäuerlichen Bereich ableiten. Zum Beispiel der „Moar“ war früher meist der größte Bauer. Ebenso entstanden viele Hausnamen aus dem Handwerk , dem Gewerbe aber auch aus Flurnamen.
Hausnamen sind wichtige gesellschaftliche und sprachliche Zeugnisse. Zum einen künden sie meist von längst vergangenen Zeiten und Verhältnissen. Zum anderen führen sie die Urwüchsigkeit und die Gestaltungsvielfalt des jeweiligen regionalen Dialekts vor Augen.
Wetterregel:
Fällt im Oktober das Laub sehr schnell,
ist der Winter bald zur Stell.
Chiemgauer Kraftsprüche
Unser Dialekt lebt von der bildhaften Sprache, von lustigen Redensarten und es gibt nichts im menschlichen Leben, was da nicht auf‘s Korn genommen wird.
Viel Spott und Satire könnte man zusammentragen über Manner- und Weiberleit, über deren Körperformen, Charakter und besondere Eigenschaften. Aus diesen Ausdrücken und Vergleichen spricht die ganze Urwüchsigkeit des geborenen Chiemgauers.
Die Chiemgauerin ist mit Recht bekannt als eine Seele von einer Frau. Sie hat ein weiches Gemüt, ist häuslich, sparsam, fleißig und treu, also eine gute Hausfrau und Mutter, die alles für ihre Familie tut, was in ihren Kräften steht und ebenso für die Ehehalten sorgt. Sie geht fleißig in die Kirche, hält Mann und Kinder dazu an, und, obwohl sie das Neue nicht ablehnt, hält sie fest an alten Sitten und Bräuchen.
Doch es gibt natürlich auch Ausnahmen, und über die sind eine ganze Serie von „quer Redn“ im Gebrauch. Denn das muß man dem Chiemgau lassen, für Schwächen der „Weibaleit“ hat er ein scharfes Auge.
Eine Geizige ist „a rechts Gnack“. Bei einer Gefühlsarmen „geht da Ofa aus, wenn dö in Stubn einegeht“, oder beim Heiraten „do wünsch i ihr Glück zur Nordpolroas“. Eine, die recht viel redt, ist „a recht‘s Gschnapperl“ und eine, die obendrein die Leute ausrichtet, is „a Ratschn“, und wenn diese Eigenschaft in gesteigerter Form vorhanden ist „a Karfreitaratschn“.
Die Bezeichnung „Flitschn“ oder „Flitschei“ kann im wohlwollenden Sinn für ein junges Mädchen oder im abträglichen Sinn für eine unzüchtige Person gebraucht werden. „A so a Goaß (Ziege) „ sagt man für eine minderwertige Person. „A so a Fetzn“ bezeichnet eine schlampige Person, „a so a Schlin“ ein liederliches Frauenzimmer, „a so a Trampi“ eines, das unfein auftritt. „Schlampn“ heißt nachlässig in der Kleidung, eine „ganz a aufdakelte“ ist das Gegenteil. „A oide Rutsch“ sagt man von einer Frau, die auch im Alter noch gern wohin fährt. Frauen , die lästig fallen, heißen „Neiffat“, im Steigerungsfall „a aufkniffane“.
„A bißl a Luaderl“ ist noch nicht ganz schlecht und „a wepsi“ ist eine, die sich nichts gefallen lasst. Die ist „wie de Katz im Wochenbett“, die einen gleich anspringt.
Aber nicht weniger häufig, im Gegenteil , sind die Redensarten über die „Mannsbuida“. Die lassen an Derbheit, an Urwüchsigkeit oft nichts zu wünschen übrig.
Da gibt es de „Hansdampf zwoamoi“, den „ganz o’draahtn Bazi“; den „raffinierten Hundling“, den „damischen Ritta“, den „Schernschleifa“, den „Hodalump“, den „Siaßling“, den „Krenhantign“, den „Gronigl“; eine Bezeichnug, die von gronen = brummen kommt. So sagt man z.B., dass die Sau gront.
Da gibt es welche, die „hau’n so Nägl oba“, da sind die Spaßmacher. Ein weicher und unbeholfener Mensch wird „Doagaff „ genannt. Da gibt es den „Fretta“, der sich nichts leisten kann, dann den „Stoffl“. Ist er besonders ungeschult, dann „is des a rechta Batznlippe oder Potznlippel“, ein Spottname, der mit „batzet“ zusammenhängt, das soviel heißt wie derb oder patzig. „A Lalli“ ist ein halber Depp, der mit schwerer Zunge redet, „a guata Lapp“ einer, der nicht ganz zurechnungsfähig ist. „A Lakl“ ein gemeiner Kerl, ein Ausdruck, der vielleicht mit Melac, dem französischen General unter Ludwig XIV., zu tun hat, der die bayrische Pfalz brandschatze. Wenigstens ist dies die Schmellerische Erklärung.
„A Gischpi“ oder „Gischpl“ ist ein unbedachtsamer Mensch. Als „müada Braachta“ bezeichnet man einen, der einen maustot redet, als „Schoaßbrachta“, einen, der von lauter unnützen Dingen spricht. Der „Hoibgachsta“ wiederum ist einer, der nur halb brauchbar ist. Der Ausdruck kommt von halbgeachst, und so bezeichnet man Wagen, die sich beim Umkehren nicht ganz durchreiben.
Der „Gachgiftge“ ist ein Jähzorniger, „a Latsch“ ein unfester Charakter, er hebt beim Gehen die Beine nicht an, „a Lotsch“ ist ein träger, „a ganz a gfeita“ ein äußerst schlechter, raffinierter Mensch. „Botschi“ ist eine mehr liebevolle Bezeichnung für einen mehr unbeholfenen Menschen, ein „Gschwoischedl“ dagegen eine abfällige für einen, dessen Kopf von lauter Bratenessen angeschwollen ist .
Mit „a soichanan Kundn“ möchte man nicht gerne etwas zu tun haben, auch mit einem „Gloiffe“, noch weniger mit einem „saubärischen“ Menschen oder einem „Rüappi“, einem groben und rohen Menschen. Dagegen kann man den „Hiasl“ um besten halten, ebenso den „Fretta“, der nur mühselig fortkommt. Der gestandene Mann aber ist Vorbild. „Feischpinna“ = Feinspinner, also ganz schlaue, manche sind „z schlecht auf’n Misthaufa außi“, der ist zu faul „wia a lausige Sau, wenn ma’s kratzt : de bleibt a sten“, da ist einer „an Deifi z’schlecht, sinst hätt er’n scho lang ghoit“, den aber „mecht i net mit da Mistgobi oglanga“.
Witzige und humorvolle Redesnarten finden sich auch sonst in großen Mengen. Die Körperformen gaben es dem Chiemgauer dabei besonders angetan. Einen kleinen Menschen kannst „Im Schiletaschl hoamtrongn“ oder „do muaßt zwoamoi hinschau’n, bis d’eahm siagst“ oder „wenn de neb’n sein Mo dahergeht, kunnst moana, ’s hängt eahm ’s Schneitztüachi außa“.
Ein langer Mensch ist „wia a Bohnastang, wia a Hopfastang“. „A paar Flockn wenn er sich net umhänga taat, gehat er für an Kiraturm“. „Wenn der so dumm waar wia lang, kunnt er den Herrn Mond a Bussl gem“.
Für dick wird der Ausdruck stark verwendet. Da heißt es vom auffallend dicken Mann, „der is so stark, dass d’ zwoa Stund im Galopp roasen derfst, bis d’ um eahm uma kimmst“, oder von einer dicken Frau „a soichene Wampn, wia a trogade Kuah“.
Ebenfalls wird die magere Frau hochgenommen, von der der Volksmund sagt, „vorn a Beichtzettl, hint an Millibrettl“. Und wenn einer fett ist, dann hat er „a Fettn, dass d’n ohne Kraut ned oaschaung konnst“. Ein überaus magerer kann so mager sein, „dass er in an Feuerwehrschlauch einigang, wo er über Nocht drin bleim kunnt“. Denn kannst auch „durch a Klartinettn durchseng“ oder „gegen den is da Tod vo Öding no wia a Schbecksau“. Auch wird er bei der Auferstehung des Fleisches „ned mitmacha kinna, weil er nia oans ghabt hot“.
Am meisten aber wird der Kopf, werden Gesicht und Mund kommentiert. Alle menschlichen Leidenschaften kommen da auf ihre Rechnung. Von „Pappn“, „Kopf wia Sautorg“, „Gschwoikopf“, „Großkopfeda“, Treantschn“, „Rotzpippn“, „Gwaaff“, „Brotlodn“, „Schnauzn“, „Schnobe“, „Gschroamäupappn“ bis „Rührmillipappn“ reicht die Skala. „De hat a Mäu wia Schtodltor“, „de hot guad redn, de is fozngrecht“. Dabei werden gewisse gesellschaftliche Unterschiede gewahrt. Da sagt der Herr Oberförster bei der Treibjagd „In diesem Trieb kommt a Fuchs durch : die Schützen soint ihra Mäu hoitn und die Treiber ihre Fotzna“,
Der Rüassl ist noch weniger respektvoll als Fotz. Da sagt der Bub um Vater :“Voda, du host an Drög hibrocht an dein Rüassl“,worauf der Vater sagt, „wos, du Gschliffi „Wia kannst du zu deim Voda sein Fotz Rüassl song !“
Doch bei der Selbstbeschuldigung darf man ruhig bekennen, „do hon i mein Rüassl schö einibrocht in dö Gschicht“, Bildlich gesehen ist da ja auch „Rüassl“ der einzig richtige Ausdruck. Häufig ist auch „mach dein Brotlodn zua, sist ziagt‘s und du dawischt an Frost !“
Auch Nase und Ohren kommen nicht zu kurz, „der hot so lange, dass d‘as mit‘n Pleschl (Zunge) oschlecka kunnst“. D‘ Leit hand überoi gleich, ham d‘Nosn mittn im Gsicht und d‘Ohrwaschl auf da Seit“. Vom Nasenbohrer sagt der Volksmund „Kriagst morng (morgen) an Schneida auf d‘Stöhr, weilst heit scho d‘Flecki zammsuacha tuast?“ Ohr ist das Ohrwaschl, die Koseform ist “a liabs Ohrwaschei“. Als Schimpfwort gebraucht, sagt man, „du Waschl ! Du Sauwaschl!“
Besonders die armen, der Manneszierde beraubten Männer sind häufig die Zielscheibe des Spottes . „Der Platterte muaß sich mit dem Handtuch kampn“ (kämmen). „Bei dem ist „da O.…. durch ‘s Hirn durchigwachsn“ , „dem sei Weib kriagt‘s amoi schö, dö braucht koan Ofa kaffa, weil ‘s auf seina Plattn kocha ko“. Wennst an Schnackla host, muaßt an drei Platterte denga, dann vogeht er.“
Endlos sind auch die Sprüche, die sich mit dem übrigen Körperteilen beschäftigen. „An dera ihrm grobn Gsicht ham si schon 9 Hund z‘Toud bellt“, dem Dirndl schaud s‘Bravsei bei dö Aung außa“, „der macht a Gsicht ois wia a a Bitschn Essigwoossa gsuffa hät“.
Die Haare beim Mannsbild sind „wia trumbe (krumme) Hufnägl“ oder „wie Schnilernstöcki“ (Schnittlauchstock), bei einem Weiberts „fein wia a Spinnwebn“ „kräuslert wia a Lampifell“, „glatt gschricha wia von da Kälberkuah“. Vom Kropf heißt es, „a bissei a Kröpferl“, wenn er klein ist, wenn er aber groß ist, hat er einen Kropf, „dass a‘s Krawattl besser umabinden ko“.
Das Genick ist ebenfalls der Kritik unterworfen, „aa a recht a gnackertes“ ist ein starkes Mannsbild, eine geizige Frau ist „a rechts Gnack“. Der Hals ist „da Krong“. Der Bauch „a Wampn“, wenn er fett ist , ist er mag, ist er „hundsbäuchert“. Die Füße sind wia draachselt“, „wia a Hircherl“, wenn sie zierlich sind. Sie können aber groß „wia a Rührkübi“, „wia an Elefant sei Großmuada“ sei.
Viele köstliche Redensarten ließen sich auch dem täglichen Leben berichten. Wenn einer schuftet, dann arbeitet er“auf Deifi kimm außa“. Wenn einer sich gegen die Alimente wehrt, dann hat ihn „da Amtsrichta dös onischneitn woin, dass a für dös Kind an Votan macha soit“.
Und die Flüche! „Kreizbirnbaum und Hollastaudn“, „Bluatige Hennakopf“, Herrschaftsseit‘n“, Kruzinesn“, „Himmi Schimmi“, „Sodoma un Gogumera“, wobei Gogumera Gurke bedeutet.
Und die Kraftsprüche „du stinkst ja wia an deifi sei Werschtahosn“ , „jammerschod, dass du a Preiß bist“, „du bist ja nöd neugieri, aba wissen moechst ois“ , „Schmeckts Kropfata“, „i derbrösel di“, „i fisel di o“, „i derbaaz di“, und so weiter.
Ja, endlos könnte man Sprüche fortsetzen, die so im täglichen Leben vom echten Chiemgauer zum besten gegeben werden.
Text : Miche Huber
Quelle : Heimatbuch des Landkreises Traunstein