Chiem­gau­er Tracht­ler­wall­fahrt nicht an Chris­ti Himmelfahrt

von GTEV Atzing am 21. Mai 2020

Seit 1952 gibt es für die 23 Trach­ten­ver­ei­ne des Chiem­gau-Alpen­ver­ban­des für Tracht und Sit­te  die Bitt- und Dank-Wall­fahrt zur Kir­che „Maria zu den Sie­ben Lin­den“ nach Rai­ten in der Gemein­de Schleching (Land­kreis Traun­stein). Heu­er kann sie nicht wie es Tra­di­ti­on ist, am Fei­er­tag „Chris­ti Him­mel­fahrt“ durch­ge­führt wer­den. Auf­grund der Coro­na-Kri­se muss­te sie für die­sen Tag (Don­ners­tag, 21. Mai) abge­sagt wer­den. Ein Blick zurück erin­nert an Ent­ste­hung, Sinn und Pfle­ge der Wall­fahrt im Chiem­gau-Ort Raiten. 

Erst­mals im Jahr 1951 waren es der GTEV „D´Gamsgebirgler“ Schleching mit den Trach­ten­ver­ei­nen Unter­wös­sen, Mar­quart­stein und Pie­sen­hau­sen sowie die drei Krie­ger­ver­ei­ne von Schleching, Unter­wös­sen und Mar­quart­stein, die einen Gedächt­nis­got­tes­dienst für die gefal­le­nen und ver­miss­ten Kame­ra­den des letz­ten Welt­krie­ges ver­ein­bar­ten. In Abspra­che mit Pfar­rer Edu­ard Bich­ler aus Schleching wur­de Weih­bi­schof Dr. Johan­nes Neu­häus­ler ein­ge­la­den. Die­ser zele­brier­te den Gedächt­nis­got­tes­dienst und zum Abschluss der Fei­er­lich­kei­ten war am Krie­ger­kreuz eine Hel­den­eh­rung mit Kranz­nie­der­le­gung. Bereits am 22. Juli 1951 kam bei der Dele­gier­ten­ver­samm­lung der Chiem­gau­er Tracht­ler anläss­lich des 25jährigen Grün­dungs­fes­tes in Mar­quart­stein der Vor­schlag, künf­tig die­se Wall­fahrt für den gesam­ten Gau­ver­band durch­zu­füh­ren. Die­ser Vor­schlag wur­de jedoch abge­lehnt, da die Dele­gier­ten es für bes­ser hiel­ten, in den ein­zel­nen Ver­ei­nen eine Gefal­le­nen-Ehrung vor­zu­neh­men. Gau­vor­stand Hias Schro­ben­hau­ser nahm jedoch bei der Gau-Herbst­ver­samm­lung am 20. Okto­ber in Gras­sau noch­mals Stel­lung zur Toten- und Gefal­le­nen-Ehrung. Zugleich erwähn­te er die bei­spiel­haf­te Krie­ger­wall­fahrt des Gau­ver­ban­des I nach Maria Eck. Für das Jahr 1952 einig­te man sich, dass es den Trach­ten­ver­ei­nen des Chiem­gau-Alpen­ver­ban­des auf frei­wil­li­ger Basis über­las­sen blieb, ob sie an der Wall­fahrt teil­neh­men woll­ten oder nicht. Zugleich beschloss man, die Wall­fahrt regel­mä­ßig am Fest „Chris­ti Him­mel­fahr“ durch­zu­füh­ren. Bei der Gau­ver­samm­lung am 6. März 1953 in Stau­dach bat Toni Spei­cher aus Reit im Winkl, die Wall­fahrt als ver­pflich­ten­den Teil des Jah­res für alle Ver­ei­ne durch­zu­füh­ren. Karl Bau­er aus Aschau (spä­ter dor­ti­ger Bür­ger­meis­ter und Zwei­ter Gau­vor­stand des Chiem­gau-Alpen­ver­ban­des) schlug vor, jedes Jahr zwi­schen Rai­ten und der Kam­pen­wand (Stein­ling Alm) mit der Wall­fahrt abzu­wech­seln. Die­ser Vor­schlag fand jedoch nicht die Mehrheit.

Von Anfang an war es nicht mög­lich, für die vie­len Wall­fah­rer in der Kir­che „Maria zu den Sie­ben Lin­den“ Platz zu fin­den, des­halb wur­de auf dem Kir­chen­hü­gel ein Altar auf­ge­stellt, der ab 1975 erst­mals über­dacht war. Bis heu­te hat sich vom ursprüng­li­chen Wall­fahrts-Gedan­ken nichts geän­dert. So wird im Rosen­kranz­ge­bet beim Gang von Unter­wös­sen (nur die „Gams­ge­birg­ler“ kom­men von Schleching) und beim gemein­sa­men, musi­ka­lisch gestal­te­ten Got­tes­dienst an die Toten und Ver­stor­be­nen der Ver­ei­ne gedacht, es wird für das Kriegs­en­de vor nun­mehr 75 Jah­ren gedankt und die Mut­ter Got­tes wird um wei­te­ren Frie­den gebe­ten. Jedes Jahr ist ein ande­rer Trach­ten­ver­ein mit der Orga­ni­sa­ti­on des Geist­li­chen und des Altar­diens­tes beauf­tragt, die Blas­mu­sik kommt immer aus Schleching. Nach Weih­bi­schof Dr. Johan­nes Neu­häus­ler im Jahr 1952 kamen noch vie­le wei­te­re hohe Geist­li­che, unter ande­rem 1968 Kar­di­nal Juli­us Döpf­ner, 1973 und 1977 Weih­bi­schof Franz Schwar­zen­böck, 1974, 1976 und 1984 Weih­bi­schof Mat­thi­as Defr­eg­ger sowie 1981 Weih­bi­schof Hein­rich Graf von Soden-Frau­en­ho­fen. Zum Jubi­lä­um „40 Jah­re Chiem­gau­er Wall­fahrt“ kam Kar­di­nal Fried­rich Wet­ter aus Mün­chen nach Rai­ten. Damals sag­te er in sei­ner Pre­digt unter ande­rem zu den Tracht­lern: „Mit die­ser Wall­fahrt legt Ihr ein Bekennt­nis zur Hei­mat ab. Hei­mat kann man sich nicht machen, sie ist ein Geschenk, letzt­lich ein Geschenk Got­tes. Lie­be Tracht­ler, beken­nen Sie sich nicht nur an Fest­ta­gen wie heu­te zu unse­rer Hei­mat und zu ihrem Brauch­tum. Sor­gen Sie auch im All­tag dafür, dass die vom Geist des Glau­bens gepräg­te Hei­mat, die uns geschenkt wor­den ist, nicht zer­stört wird, son­dern uns und den kom­men­den Gene­ra­tio­nen erhal­ten bleibt“. In sei­nen wei­te­ren Aus­füh­run­gen erläu­tert der Kar­di­nal den mehr­deu­ti­gen Begriff der Tracht wie folgt: „Ihre Tracht weist auf die Hei­mat, sie weist aber auch noch auf eine ande­re Tracht hin, die nicht Ihren Leib, son­dern Ihre See­le schmückt; die nicht geschnei­dert, nicht von Men­schen­hand gemacht ist, son­dern uns von Gott selbst geschenkt wur­de. Die­ses Gewand, die­se Tracht trägt einen leben­di­gen Namen: Jesus Chris­tus“. Damit zusam­men­hän­gend zitier­te der hohe Geist­li­che den Apos­tel Pau­lus mit den Wor­ten: „Ihr alle, die ihr auf Chris­tus getauft seid, habt Chris­tus (als Gewand) angezogen“.

Heu­er wäre es zum 69. Male gewe­sen, dass die Chiem­gau­er Wall­fahrt an Chris­ti Him­mel­fahrt statt­fin­det.  So gilt es der­zeit, daheim und im Stil­len der ver­stor­be­nen Tracht­ler im Gebet zu gedenken.

Fotos/Repros: Höt­zel­sper­ger:   Ein­drü­cke von der Wall­fahrt der Chiem­gau­er Tracht­ler nach Rai­ten in der Gemein­de Schleching