Unse­re Bräu­che: „Die 12 Raunächte“

von Anita Moka am 23. Dezember 2020

Die Advents- u. Weih­nachts­zeit ver­kommt gegen­wär­tig  immer mehr zu dem Abschnitt des Jah­res, in dem unge­hemm­ter Kon­sum den Vor­rang zu haben scheint.

Geheim­nis­se der Geburt des Got­tes­kin­des, eben­so ein medi­ta­ti­ver Rück­blick auf wesent­li­che Vor­komm­nis­se des ver­gan­ge­nen Jah­res wer­den dem­ge­gen­über in den Hin­ter­grund gedrängt.
Und wenn man kei­nen  Bezug zu einer Zeit mehr hat, in der Angst vor Dämo­nen und der Glau­be an Hexen­zau­ber die Men­schen gera­de in den letz­ten Wochen des Jah­res inten­siv beschäf­tig­te, kann man die­se Zeit sicher schlecht ein­ord­nen und verstehen.

Dies war bis zu Anfang des 20. Jahr­hun­derts nach­weis­bar anders, als heid­ni­scher Aber­glau­be und dar­aus sich erge­ben­des Brauch­tum im Leben des Ein­zel­nen  wie in den dörf­li­chen Gemein­schaf­ten noch eine  her­aus­ra­gen­de Rol­le gespielt hat. Inbrüns­ti­ge Reli­gio­si­tät und tief­ver­wur­zel­ter  Geis­ter­glau­be gin­gen häu­fig eine enge Ver­bin­dung ein. Das Abster­ben in der Natur, das Vor­drin­gen der Dun­kel­heit, die kur­zen Tage und die lan­gen fins­te­ren Näch­te, in denen nicht sel­ten hef­ti­ge Stür­me wüte­ten und bedroh­li­ches Schnee­trei­ben   vor­herrsch­te, mag de Phan­ta­sie des Men­schen stark ange­regt haben.

Die Elek­tri­zi­tät hat aber auch vie­le Bräu­che „aus­ge­leuch­tet“.

Es war nicht mehr so dun­kel, den viel von der mys­ti­schen Sin­nen­welt kam aus dem Dun­keln und ist nur aus dem Fins­tern der lan­gen Win­ter­aben­de herzuleiten.

Der moder­ne Mensch hat längst aber­gläu­bi­sche Vor­stel­lun­gen ent­larvt und sich von den dar­aus ent­ste­hen­den Ängs­ten befreit, dadurch aber gleich­zei­tig sei­ne Fähig­kei­ten zum fein­füh­li­gen Erah­nen und tie­fen Glau­ben zuneh­mend eingebüßt.

Das Gespür   für Gescheh­nis­se, die mensch­li­ches Begrei­fen über­steigt , ging ver­lo­ren und trotz  Auf­ge­klärt­heit der Men­schen ist er oft­mals hilf­lo­ser und ver­lo­re­ner als sei­ne Vorfahren.

Grund­sätz­lich muss man Rauch — Rau­näch­te von­ein­an­der tren­nen. Die  Rauch­näch­te waren die Tho­mas­nacht , die Christ­nacht, die Syl­ves­ter­nacht und die  Drei­kö­nigs­nacht. In die­sen Näch­ten hat einst ein Pries­ter, spä­ter der Haus­herr alle Räu­me des Hau­ses und auch die Stal­lun­gen mit Weih­rauch aus­ge­räu­chert und mit Weih­was­ser besprengt, um die „bösen Geis­ter“ zu vertreiben. 

Die Rau­näch­te, also die 12 Näch­te von 25. Dez.-6. Jan, die Zeit zwi­schen Weih­nach­ten und Drei­kö­nig auch die „Zwöl­fer­zeit“ genannt, war wohl frü­her die fried­fer­tigs­te und geheim­nis­volls­te Zeit im Jahr, von denen man eigent­lich wenig über die   tat­säch­lich Bedeu­tung  weiß, wie sie ent­stan­den sind und was das Volk um die­se mys­ti­sche Zeit dar­aus gemacht hat. 

Rau, mund­art­lich rauch, ist die Bezeich­nung des „Wil­den, haa­ri­gen, mit Fell Bekleideten.“

Die Rau­näch­te sind die Wie­ge des neu­en Jah­res, auch in geis­ti­ger Hin­sicht, in ihnen kom­men sich Him­mel und Erde, Welt und Über­welt am Nächsten.

Die Zeit der „Zwöl­fen“ ist die Zeit der Win­ter­sonn­wen­de, an jeder der12 Rau­näch­te beob­ach­te­te man frü­her das Wet­ter gut  und leg­te die Tage  auf die 12 Mona­te des nächs­ten Jah­res um. Man deu­te­te das Wet­ter für‘s kom­men­de Jahr.

In die­sen Näch­ten ruh­te jede Fede und es durf­te kein Gericht gehal­ten werden

Die Rau­nacht­zeit erfüll­te die Men­schen mit Angst, aber eben­so mit Hoff­nung, denn die Flur, über die das Geis­ter­heer hin­weg­ge­fegt war, soll­te im neu­en Jahr rei­che Ern­te bringen.

Jede Tätig­keit, die eine Dreh­be­we­gung vor­aus­setz­te , war ver­bo­ten. Es beweg­te sich kei­ne Spu­le oder Spin­del ‚das Spin­rad wur­de ver­hängt und auf den Dach­bo­den gestellt. Kein Bau­er drosch Korn, denn er hät­te mit dem Dri­schel krei­send Schwung holen müs­sen. Wäsche waschen und sie über den Zaun zum Trock­nen zu hän­gen trau­te man sich nicht, denn es war damals die Vor­stel­lung ver­bun­den, dass im neu­en Jahr die Percht einen aus der Fami­lie  ins See­len­reich holen wür­de. Mit dem Gebet­läu­ten  am Abend ruh­te fast jede Tätig­keit im Haus. Es wur­de kei­ne Kuh mehr gemol­ken, denn die Milch gehör­te sonst der Hex. Nie­mand rühr­te in die­ser Zeit ein Kar­ten­spiel an. 

War­um hiel­ten sich die Leu­te an die­sen Regeln ?

Trieb­kraft war die Angst. Sie hat­ten Angst vor bösen Mäch­ten und sie hat­ten Angst vor den Nach­barn, dass die Gemein­schaft sie aus­schlie­ßen könn­te, wenn sie nicht die Bräu­che  befolgten.

Wenn man von den „Zwöl­fen“  spricht,  sind die Perch­ten  mit die­ser Zeit in unzertrennlich. 

Wie oft bringt man bei uns Perch­ten, Perch­ten­tän­ze und Perch­ten­läu­fe  mit dem Advent in Zusam­men­hang ! Dabei ist das ein gro­ßer Irr­tum. Die Perch­ten haben in den 12 Raunächten(1) ihr Unwe­sen getrie­ben, am meis­ten in der Nacht vor Drei­kö­nig, am häu­figs­ten im Salz­bur­gi­schen und in der ober­baye­ri­schen Nach­bar­schaft. Es ist nicht unge­fähr, dass eine der weni­gen Schil­de­run­gen eines Perch­ten­tan­zes aus Zell am See stamm. Dort hat ihn Edu­ard Krem­ser 1903 am Vor­abend vor Drei­kö­nig in einer Bau­ernst­be erlebt.

Was sind Perchten ?

Im Wör­ter­buch der  Deut­schen Volks­kun­de kann man unter Percht lesen :

„Auf alt­baye­ri­schem und dem angren­zen­den öster­rei­chi­schen Gebiet bis an die Süd­gren­ze Kärn­tens wird noch heu­te von der Bercht, Ber­schl, Perch­ten, Frau Bert, Schna­bel­percht und Eisen­ber­ta erzählt, die in den Zwöl­fen, beson­ders vor Drei­kö­nig, in der Bercht­nacht, umzieht, die Spin­ne­rin­nen prüft, Mäg­te und Kin­der schreckt, aber auch als But­zen­bercht und Budl­frau Gaben­brin­ge­rin gleich dem Christ­kind ist..“

Unter dem Wort „Perch­ten“ steht :

„Nach der Füh­re­rin des Geis­ter­zu­ges, Bercht, sind die Perch­ten benannt wie die Hol­den nach Frau Holle.“

Die Frau Percht erscheint in zwie­fa­cher, sehr ver­schie­de­ner Gestalt, ein­mal als lich­tes hol­des, und zwei­tens als dunk­les, unhol­des Wesen, seg­nend und frucht­bar, oder ver­hee­rend und schadend.

De Frau Percht tritt also ver­schie­den auf: Als hilfs­be­rei­te Frau den Einen, als stra­fend, gro­be, bauch­auf­schlit­zen­de den Faulen. 

Nimmt man die Aber­gläu­big­keit der Leu­te frü­her, des kar­ge arm­se­li­ge Leben in der Zeit der Win­ter­sonn­wen­de und de Geschich­ten die man sich erzähl­te, kann man sich schon vor­stel­len dass sie oft furcht­ba­re Angst gehabt  haben vor da Frau Percht und dem von Wotan  ange­führ­tem Geis­ter­heer, dem „Wuidn G‘joad“ 

Wer  in der Rau­nacht­zeit an die­Tür klopft, dem mach­te man auf, weil an die­sen Tagen „die Himm­li­schen unter den Irdi­schen weil­ten“. Im Sturm zu hören und in der Ein­bil­dung wahr­nehm­bar. Durch die Nacht stürm­te am Him­mel das „Wui­de G‘joad“ !

In der Vor­stel­lung  beschrieb man das„Wuide G‘joad“ folgendermaßen :

Das „Wui­de G‘joad“ wur­de von einem Schim­mel ange­führt, den Wotan ritt. Gefolgt war er vom Heer der Toten aus dem Reich der See­len. Ihm folg­te ein Tross von Unhol­den und Nacht­al­ben. Unter ihnen der „wil­de Jäger“, den die christ­li­che Leh­re ver­dammt hat­te in alle Ewig­keit jagen zu müs­sen, weil er am Frei­tag, dem Todes­tag Chris­ti, gejagt hatte.

Eine Meu­te kläf­fen­der Hun­de hetz­te die „armen See­len“ über Stock und Stein. Mit ihnen war das Heer der ver­fal­le­nen Selbst­mör­der. Ein los­bre­chen­der Sturm war für das Volk das Zei­chen, dass sich einer erhängt habe. Die wil­de Hatz mach­te vor harm­lo­sen Moos­mandln u. Moos­wei­beln nicht halt. Die Natur­geis­ter wur­den solan­ge durch den Wald gejagt, bis sie einen ret­ten­den Baum­stock fan­den, in den ein Holz­knecht drei Kreu­ze gehackt hat­te, so dass die  Drud nicht auf­ho­cken konn­te. Die jagen­den Wol­ken­fet­zen, die wal­len­den Nebel und die „Berg­kat­zen“ deu­te­ten die Men­schen als Gespens­ter. Im heu­len­den oder kla­gen­den Sturm  hör­ten sie die Stim­me der „Haber­geiß“, die auch mit schmei­cheln­den Tönen zu locken ver­moch­te. Wer das „Wui­de G‘joad“ über sich hin­weg­brau­sen fühl­te, muss­te sich auf den Boden wer­fen, woll­te er unver­sehrt blei­ben. Das Gesicht der Erde zuge­kehrt, die Arme kreuz­wei­se hin­ter dem Kopf ver­schränkt, kreuz­ar­tig die Bei­ne über­ein­an­der­ge­schla­gen , das bedeu­te­te Rettung.

Auf­schluss­reich ist auch , dass in einem weih­nacht­li­chen Hir­ten­lied aus Rupol­ding die Hul­di­gung an der Krip­pe mit Bezug­nah­me auf das „Wui­de G‘joad“ begann mit :

Alter Maxl, steh g‘schwind auf, 

nimm dein Steg­ga schnell und lauf !

Los !  I hör dös „Wui­de G‘joad“,

Helf dir Gott, wann‘s di dafroad !

Und im Wös­se­ner Weih­nachts­piel droht das „Wui­de G‘joad“ :

Hu, hu, gscha, gscha,

laaf, Bua , laaf,

und schau net um ,

oder i drah dir an Kragn um.

Am Sim­see wur­de das „Wui­de G‘joad“ als „Nacht­gloat“ vom Teu­fel ange­führt, der nicht nur Men­schen mit sich fort­führ­te, son­dern auch streu­nen­de Hunde.

Der „Gjoad­kopf“ und die „Gjoad­wand“ sind Berg­be­zeich­nun­gen, die noch heu­te an die wil­de Jagd erin­nern. Zum „Wui­den G‘joad“ zähl­ten alle „Unters­ber­ger“ und alle Geis­ter des Wer­den­fel­ser Berg­stocks. Die hohe Zeit der wil­den Jagd begann nach dem Gebetläuten. 

Die Bräu­che in der Rau­nacht­zeit sind fast ver­ges­sen wir haben uns von dem mys­ti­schen Brauch­tum gelöst, das uns im Rück­blick wie ein Relikt aus dem Mit­tel­al­ter erscheint. Die Nöte von denen die Men­schen geplagt waren sind uns genom­men wor­den, ande­re sind dafür gekommen.

Wohl aus die­ser Erkennt­nis her­aus erfolgt der­zeit des öfte­ren eine heil­sa­me Rück­be­sin­nung auf tra­di­tio­nel­le Sicht­wei­sen , die in wie­der­auf­le­ben­den Brauch­tum zum Aus­druck kommt.

Text :        Miche Huber

Quel­len :   Paul – Ernst Rattelmüller

                 Fran­zis­ka Hager

                 Paul u. Rich­hil­de Werner

                 Alfons Schweiggert